Januar - Dezember

2017

Dehn die Sprache zum Gedicht
dehn sie aus, als gäb’s kein Morgen.
Denn den Dichter kümmert’s nicht –
Regeln bleibt die Kunst verborgen. realize.

Die Kälte

Ich bin unerbittlich,
wenn die Sterne glänzen in der klaren Nacht.
Ich bin unerträglich,
wenn das Holz im Feuer kracht und lacht.

Ich bin unnachgiebig,
wenn die Hoffnung ihre Leben still verarmt.
Ich bin unbarmherzig,
wenn der raue Tod im Schlafsack sie umarmt.

Ich bin unverständlich,
wenn mein Ruf in dunkler Ferne klingt.
Ich bin ‘gar unmenschlich,
wenn mein Griff das Land in tiefe Trauer schwingt.

Und doch, liebt mich ein jeder.
Denn der Menschen größte Einsicht
ist – ohne mich
gäbe es die Wärme nicht.

Januar 2017

 

Ungeniert der anstößigen Lage,

spuckt der Bettler ins Gesicht der Menschenplage.

Großmütig, der alte Menschentrick

schmeißt ‘nen Euro – spuckt zurück.

 

Das absolut Böse

Der gnadenlose Wärter kennt mich,
dort kauernd, hinter kalten Mauern.
Die Kindesmord und sich betrauern,
erbarmungslos trifft sie mein Stich.

Wenn Kriege Körper stapeln dicht an dicht,
bin ich längst da.
Doch weit verbissen kämpft die hungernde Armada,
um die Erinnerung an mein Gesicht.

Mit Macht und Geld bin ich liiert
jedoch entdeckt wurd‘ ich hier nicht.
Dem Volk gereicht als Bösewicht,
vom Gold zum Teufel degradiert.

Der Teufel, welch‘ Glück, ist schon immer der Eine.
So wird es jedenfalls erzählt.
Er lauert, leise schleicht und quält,
gestützt allein‘ durch Ablassscheine.

Geseh’n hat ihn bisher noch niemand.
Er ist jedoch, um Böses zu erklären –
und Hölle gibt’s, um Ängste zu ernähren.
Ein Volk kniet tief und küsst die Hand.

Ob je mein dunkles Sein versiebt?
Ich weiß es nicht,
und auch nicht dies‘ Gedicht.
Einzig der Mensch hat mich geliebt.

Oktober 2017

Vaterunser

Betende Hände, Albrecht Dürer 1508

Vater unser, der ich bin im Himmel,
geheiligt ist mein Name.
Mein Reich ist.
Mein Wille geschieht,
wie im Himmel, so auf Erden.
Mein tägliches Brot gebe ich mir heute.
Und vergebe mir all meine Schuld,
wie es viele Meister schon vor mir taten.
Ich führe mich gern in Versuchung,
denn ich bin auch das Böse.
Denn mein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Atmen.

 

Übersetzung, Gabriel Josef Gall 2017

Weihnachten Ist Wunderbar

Endlich wieder Weihnachten,
der Dezember ist kaum da.
Der Kopf ist voller Leichtigkeit
und alle schreien „Wunderbar“.

Endlich wieder Weihnachten,
die Lichter scheinen hell und klar.
Blenden lass‘ ich mich doch gerne,
ja, so lebt sich‘s wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
berauscht von Tönen singt die Schar
immer wieder gleiche Lieder,
das Ohr jauchzt jubelnd „Wunderbar“.

Endlich wieder Weihnachten,
Geschenke jagen – auf, hurra!
Viele hungern sich zu Tode,
egal, die Welt ist wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
wart, ich will zum einen, zwar
wieder etwas Waches tun,
zum andern – Schlaf ist wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
Glühwein wankt die Sinne starr.
„Alles gut!“ – in froher Runde –
den Trug verdrängt ein „Wunderbar!“.

Endlich wieder Weihnachten,
die Verwandten, plötzlich nah –
lästern, dass die Fetzen fliegen –
Familienfest klingt wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
einmal Kirche geht sogar.
Jungfräulich als Held geboren,
Wunder kommt von wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
Bewusstsein macht sich rar.
Niemand will den Scheiß hier haben,
Sturheit sticht, mit „Wunderbar“.

Endlich, heut ist Weihnachten,
nehm‘ ich mich noch richtig wahr?
Jagen, schreien, wanken, feiern,
ist das wirklich wunderbar?

Schließlich „Frohe Weihnachten!“,
bunt die Schleife Jahr für Jahr.
Die Luft ist raus, der Staub legt still
sein letztes Körnchen Wunderbar.

So bin ich Mensch, so will ich bleiben.
Auch Schein ist Sein, klar, sonderbar.
Vergiss, was diese Zeilen schreiben,
denn Weihnachten Ist Wunderbar.

 

24 Dezember 2017