Mai - Dezember
2018
Die Suche sucht und sucht und sucht
und doch kann sie nicht finden.
Denn Suche wurd vom Fund verflucht,
spurlos zu verschwinden.
Licht
San Gerolamo, Caravaggio 1607
Licht verkündet beispiellosen Durchbruch:
„Dunkelheit ist endgültig bezwungen.
Dicht gewoben, Fäden fest umschlungen,
stolz zerschnitt ich meisterliches Tischtuch.“
Ist Dual- der einzig wahre -Ismus?
Kann man Menschlichkeit damit erklären?
Wär‘ die Erde, wenn wir nicht mehr wären,
frei von Lügen, Täuschung und Zynismus?
Fragen, die die Welt bedeuten.
Fragen, die sich viele ungern stellen.
Fragen, die in irdischen Duellen,
früher schon die Antwort scheuten.
Menschen schmücken hell das Unbehagen,
Angst bestrebt man strahlend zu besiegen.
Funken, Feuer, Fenster brauchts zum Kriegen,
feine Mittelchen, die fürchterlich versagen.
Ewigkeit versprechen Glaubenslichter,
ewig Leben, Heil im Reich, das komme.
Leid verunglimpft nie das edle Fromme,
Leiden narbt nur sündige Gesichter.
Dunkelheit, des Teufels List,
harrt des Meisters neue, alte Kunde.
Froh, dass Licht mit jeder Ehrenrunde
zeigt, dass sie am Leben ist.
Mai 2018
Dasselbe Spiel
Wer hat nur dies‘ Spiel erschaffen?
Zerfleischt in Ehrgeiz brüllt der Schein,
zum ewig Kampf mit stumpfen Waffen.
Bewusst bekriegt wird einzig Sein.
Eins Null, jawoll, erschieß die Schmerzen,
erfüll die Leere, die uns treibt.
Eins Eins, oh Gott hilf auszumerzen,
das Leid, das sonst unbeugsam bleibt.
Der Schlusspfiff schallt in taube Ohren,
Eins Zwei, die Pein, die keiner sah.
Die Freud‘ am Dasein ist verloren,
der Trost – das nächste Spiel ist nah.
Erneuter Anpfiff schärft die Sinne,
ein Fan erklimmt des Käfigs Zaun:
„Der Sieg!“ und doch hält keiner inne.
„Wie lange noch?“ erfragt ein Clown.
Und alle lachen, blind verschworen,
denn Bier auf Bier gibt ihnen Halt.
Es fühlt sich an wie neu geboren,
doch Hohn und Spott sind leer und kalt.
Nach vielen Leben gleicher Mühle,
erwacht das Ich aus trübem Traum.
Es weiß, nur zäh erwärmt sich Kühle,
vor lauter Brüllen fühlt man kaum.
So führt es langsam samte Hände
zurück zu Halt und festem Griff,
denn weder Bier noch Großverbände,
begreifen was er schürt – der Pfiff.
Es sind der Kampf, die Wut, das Flehen,
weil Krieg stets Gut und Schlecht verband.
Die Einigkeit will keiner sehen,
man raubt sich eher den Verstand.
Genug. Die Erde muss nicht beben.
Vergiss den Sieg, vergiss das Ziel.
Vergiss die Zeit – Zeit aufzugeben,
schon endlos läuft dasselbe Spiel.
Juni 2018
Der Mensch
Sein Blick ist leergesaugt von tausend gleicher Leben,
von Wirklichkeit, die trügt mit Schleifen Tag und Nacht,
von Dunkelheit, die ihn bedrängt bald aufzugeben
und Zukunft, die verspricht und dann verlacht.
Er starrt betäubt auf schwarze Flecken weißer Wände.
Gedanken schwören: „Ganz durchdacht bist Du noch nicht!“
Berauschend füllt das Neue altbekannte Bände,
damit die Lust am Leben nicht zerbricht.
Und starr ergeben einem unbändigen Nächsten,
was Sicherheit markiert im Zeit-und-Raum-Konstrukt,
und noch genügt, noch bis zum Tode – allerhöchstens–
doch lange schon Lebendigkeit erdrückt.
Erblickt er schließlich heiß begehrtes Fünkchen Hoffnung,
verliert sich selbst bedingt die letzte Spur zum Sein.
Und tausend neue Leben bohren kleine Öffnung,
die Wahrnehmung des Wesens schreitet ein.
„Ich bin. Mich gibt’s. Das Ganze scheint zu existieren.“
Gewissheit wird vom ernsten Zweifel vorgebracht.
Er wehrt sich schlichte Einfachheit zu akzeptieren,
doch Sein gestaltet schon – trinkt Wein und lacht.
Juli 2018
Die Stille
Die Stille ist und lässt sich nicht beneiden,
verschränkt nie Arme, schaut auf keine Schuld.
Das Laute sammelt unablässig Leiden,
beharrlich zuckend, zwickt die Ungeduld.
Zu sitzen kommt für mich nicht mal in Frage.
Die Ruhe hab‘ ich mir nicht ausgedacht.
Das Tun verspricht doch, dass ich nie versage,
solang ich pünktlich anfang – kurz vor acht.
Es schreit das brausend dröhnende Erleben,
gestopft von Bildern blinkt des Pilgers Pfad.
Und jede lange Weile stört sein Streben,
verlogen, immergleiches Hamsterrad.
Doch still…
wie schwer es ist, nur wahrzunehmen –
ein Atemzug als einsames Gebot –
schon stirbt der Sinn mit seinen großen Themen,
und jeder fühlt, auch ich – auch ich bin tot.
September 2018
Die Wahl
Gewissenhafte Folgsamkeit
verspricht uns zu bereichern,
im Vierer-Zyklus angereiht
den Wohlstand einzuspeichern.
‘ne kurze Wahl der Ewigkeit,
verfluchte Wahrheitsfindung,
das Kreuz ist eine Seltenheit,
doch glorreich die Erfindung.
Vorbei. Jetzt herrscht Geborgenheit,
in immergleichen Tagen.
Verdrängt ist weise Einsamkeit,
gestillt sind Lebensfragen.
In himmlischer Unendlichkeit,
erklingt Chopins Nokturne,
denn irdische Vollkommenheit,
verging mi‘m Gang zur Urne.
Oktober 2018
Der Silvaner
Stillschweigend thront er auf fränkischen Hügeln,
schüchtern verletzlich beginnt er die Zeit.
Wild wird die Fahrt und kein Mensch kann sie zügeln –
Leitsatz des Winzers: „Sei immer bereit.“
Niedergezogen erwacht er im Frühling,
Arme geöffnet für Wärme und Licht.
Kälte verhöhnt ihn als frierenden Feigling –
Warnung des Winzers: „Beeile dich nicht!“
Wildwuchernd rankt er auf stählernen Saiten,
maßloses Wachstum erregt Rauferei.
Heftende Helfer entschärfen das Streiten –
Trostwort des Winzers: „Im Herbst ist‘s vorbei.“
Endlich beleben die zuckrigen Trauben
Kellergewölbe im Meistergewand,
Hände, die Fülle und Reife erlauben –
Weisheit des Winzers: „Gefühl vor Verstand.“
Vielsagend fließt er in trockene Münder,
erdig, harmonisch, zartblumig zugleich.
Trinken genießt man, so stirbt‘s sich gesünder –
Grabspruch des Winzers: „Der Wein war sein Reich.“
November 2018
Der Weg
Der Weg ist ein weiter,
nur einsam der Gang,
die Angst als Begleiter,
hetzt Menschen entlang.
Wohin geht es heute?
Was bringt mir der Tag?
Gezwängt in die Meute,
das Schicksal als Schlag.
Ich bin unverwüstlich,
von Arbeit geplagt,
stets brav unterwürfig,
ich tu, was man sagt.
So ziehen die Jahre
im Dienen vorbei.
Zu Ehr‘ die Fanfare,
zerstampft sie zu Brei.
Erschöpft grüßt die Rente,
am Stock hängt der Gang,
verpasst – die Momente
am klimpernden Klang.
Der Weg ist zu Ende,
erdrückt wird der Schlaf,
– süß bittere Wende,
die schließlich mich traf.
Verdammt! Ich komm wieder
und gewinne die Schlacht
der gefallenen Krieger,
im Streben nach Macht.
Und hunderte Leben
vom Ehrgeiz gequält,
vergehen vergebens.
Das Ziel wird verfehlt.
„Zum Teufel die Erde,
ich gebe jetzt auf! –
Genug von der Fehde,
vom endlosen Lauf!“
Und still stehen Mühlen,
die Sinne sind klar.
Das Sein lässt sich fühlen.
Alles ist wahr.
Das Leben, das Sterben,
sind niemals allein.
Das Leid muss vergeben,
auch Nichts muss erst sein.
Und Sein zeigt verlegen,
im Kampf um die Zeit,
das Für und das Gegen
der Endlosigkeit.