November - Dezember
2019
Wo komm ich her?
Wo geh ich hin?
Macht das noch Sinn?
Frag nicht so schwer!
Die Vergänglichkeit
Ein Veilchen welkt am Wegesrand,
allein, gebeugt, auf weiter Flur.
Vom Leben schon verlassen, nur
der Tod erzeugt noch Widerstand.
Beraubt von ihren Sinnen,
versuchen die Narzissen,
dann irgendwie verbissen
dem Tode zu entrinnen.
Es ist längst bereit,
hält ‘ne Weile inne,
grüßt mit fester Stimme
die Vergänglichkeit.
Am Grabe steht –
im Wort verlegen
und doch für jeden,
wie Tod vergeht:
Tut gut,
wenn Leben
mal eben
hier ruht.
November 2019
Alle Wege ...
Ein Schwarm von Schirmen schmückt die Straßen,
’ne Horde Heiler eilt zur Hilfe. Schon
sieben Euro schützen vor dem Nassen.
Es regnet – Tropf auf Tropf, bloß Wasser – in Rom.
Der Raum ist voll. Hunderte Menschen. Die Nacken krumm,
der Blick verloren, ringt nach Halt im Nirgendwo.
Ich schau herauf – eitel geboren, nur die Neugier fragt warum?
Unmöglich! – Wie? Wer? Gott? Nein. – Michelangelo.
Ein Schrein verhüllt vom Platz der scheinbar gleichen Säulen,
versteckt gekonnt die Weite, die mich innerhalb erschlägt.
Ein Zelt erdrückt den Himmel, Bienen lügen, Schwang‘re heulen,
am Tor, im Eck, ein gut versteckter Ort – der alles trägt.
Vorbei an Engeln und dem selbstzerfleischenden Vergleich,
serviert ein treuer Ort den ewig Lachenden ein Mahl.
Danach hinab und liegen auf der Wiese, daunenweich,
verzweigte Kronen brechen warmen Sonnenstrahl.
Der Hügel, nah am Grün, ernährt des Künstlers Hände.
Unzählig, weite Stufen – die Welten einer Welt vereinen.
Der Dichter blickt vom Fenster, schreibt sein Vers zu Ende
und Massen suchen Ruhe, sitzend – auf den Beinen.
Drei Straßen spülen Menschenmengen zu dem Brunnen,
der Glück verspricht für klimpernd kleines Geld.
Ein Sprung, der Pfiff, der Schreck lässt alle kurz verstummen,
doch keiner fühlt, dass Glück auch Traurigkeit enthält.
Am Rand der Stadt, erreicht ist Nummer dreißig: „Si.“ verkünde ich
zur Frau, voll Mehl und Tatendrang. Stürmisch fragt sie: „Non ha
scelto, er signore?“ – „Non ancora.“ – Also wartet sie auf mich.
Ich atme kurz, ich schau nochmal, als mein Herz sagt – Grazie Roma.
November 2019

Merlin
The Master’s life
A coffee every morning –
as life rests endlessly –
sips planning into boring,
and purpose in – to be.
Just breathing is sufficing –
the smiling is for free
and all the thoughts arising
agree – to disagree.
I am – the soul – creator
I am – yes, it is me
the ship, the navigator,
the stars above – the sea.
The light is shining beauty
in every dreadful mess,
the touch – ever so slightly –
moves mountains effortless.
A stroll – the birds are bowing –
the Master – it is He,
condemned, by simply knowing,
to endless sovereignty.
November 2019
Der vergessene Schöpfer
Der Mensch,
ein dickköpfiges Wesen,
der, obwohl für ihn nicht sichtbar,
der göttliche Gestalter ist.
Die ganze Realität, das Universum,
vermag er zu erschaffen,
mitsamt der Illusion,
dass dieses Werk nicht seines ist.
So schreitet Schöpfung stets voran,
getrieben von dem freien Willen,
der zwangsläufig die Freiheit hat,
auch eingesperrt zu sein.
Hinter Stacheldraht und Gittern
gedeiht schließlich das Nichts –
das irgendwie, erstaunlich,
aus nichts entstanden ist.
Dezember 2019
Now
Always afraid, the human mind
of all of futures implications.
The present moment left behind
runs out of time – second by second.
Among the many could have been
just one – for you. That could awaken
the sleeping beauty left between
your dreams and paths – untaken.
But no, not even one was there –
you know, you would remember.
But no one’s here, no one to care
in cold and late December.
Upset again – defeat by hesitation.
Don’t beg the past for swift release,
don’t fight with desperation.
Just breathe and breathe – and so it is.
December 2019
Schall und Rauch

Ich steh im Rauchereck und warte –
mein Zweifel selbst erzwingt das Nette.
Halt mich bloß fest – du glorreich starke
Zigarette!
Ich zünd sie an, die Tabakrolle
und strahle fröhlich um die Wette.
Ich bin so cool! – Oh, wahnsinnstolle
Zigarette!
Und jeder Zug beschwingt die Rede,
beschwingt den Tanz der Marionette.
Es ist so schön. Ich liebe jede
Zigarette.
Doch plötzlich fragt die tiefe Reue,
ob ich den Krebs zu fürchten hätte.
Natürlich nicht! – betont die neue
Zigarette.
Mein Husten pustet Fäulniskeime
des bitter-süßen Schleims der Klette.
Ich kann auch ohne, bürgt die letzte
Zigarette.
Eisern sieht man Schatten sie besetzten –
die schwachen Glieder meiner Kette –
an der – Versprochen! – allerletzten
Zigarette.
Dezember 2019
Die Anerkennung
Verblasst, die schönste Eine aller Farben,
im Sonnenschein – ein strahlendweißes Gelb.
Erschienen dunkle Schatten tiefer Narben –
der Spiegel blind – an Bitterkeit zerschellt.
Am Boden kriechend, saugend, unnachgiebig –
der Hunger nährt die Hoffnung auf ein Leckerli.
Man sitzt, macht Platz – der kleine Rest ist schäbig –
Erfolg jedoch. Bestätigt. Besser spät als nie.
Umjubelt steigt der treue Diener stetig
den Berg hinauf – den steilen Berg zum Ruhm.
In dieser Nacht, da schläft er wie ein König –
und morgen? – Morgen muss er’s wieder tun.
Dezember 2019
Einer ist nur einer. Einer
ist nie viele. Alle sind
nicht einer, alle sind
die vielen. Einer wird
nie alle, keiner niemals
viele und alles ist das
meine, denn ich alleine –
spiele.

Die Dunkelheit
Der Neid entsprang dem Drang nach Anerkennung,
als Gier erst Leid und dann Lebendigkeit bezwang.
Als Eifer suchte nach dem Schmerz – der Trennung
und Liebe trug die Schuld am Niedergang.
Im Ruhm versteckt sich voller Unbehagen
die Sucht nach mehr, die niemals finden kann.
Und angewidert lernt man Ekel zu ertragen
und landet dort, wo Gottes Dunkelheit begann.
Der Weg führt fort zum Zwang nie aufzugeben,
denn Scheitern raubt dem Menschen Menschlichkeit.
Weiter immer weiter – keiner weiß, weswegen –
für mangelhafte Wesen fehlt verflixt – die Zeit.
Und man begräbt die Scham, die hässliche Geliebte,
denn Liebe langt nicht einer leichten, lichten Welt –
wo puppenhafte Einfalt Wirklichkeit besiegte
und brauchende Betäubung Wahrnehmung verprellt.
Dort – im dunkelsten der dunklen Kerker
weint es einsam – weises, schweres Herz –
das Leiden aufgenommen, immer stärker
erkrankt das Ich am unterdrückten Schmerz.
Der Krebs erschüttert letzten Lebenswillen,
als Dunkelheit ihn wagt, den Schritt zum Sein –
Vielleicht gestattet mir der Mensch im Stillen
nach Haus zu kommen. Wieder – sagt er „Nein.“
Behutsam geht mein Schritt zurück nach innen
zum Kerker voller Leben, voller Leid.
Ich warte, denn ich kann es nicht erzwingen –
ich warte, denn Ich bin – die Dunkelheit.